Afghanistan-Einsatz verlängert - Blick auf Zentralasien schärfen!
Heute hat der Bundestag den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr um ein weiteres Jahr verlängert. Die grüne Bundestagsfraktion hat sich mehrheitlich enthalten und mit einem eigenen Entschließungsantrag zur Afghanistan-Politik der Bundesregierung Stellung bezogen. Darin fordert sie auch die schnellstmögliche Auflösung des Bundeswehrstützpunktes auf dem usbekischen Militärflughafen Termes zu püfen und einen regionalen Politikansatz, "der die gegenseitige Wechselwirkungen der Sicherheitslage in Afghanistan und in seinen Nachbarstaaten genauer berücksichtigt."
In ihrem heutigen Artikel "As NATO Prepares for Afghan Withdrawal, Uzbekistan Seeks War's Leftovers" berichtet die New York Times auch über parlamentarische Aktivitäten von Viola von Cramon. Im Vorfeld der heutigen Bundestagsbstimmung hatte sie die Bundesregierung zu folgenden Zusammenhängen zwischen ISAF-Einsatz in Afghanistan und den zentralasiatischen Nachbarstaaten befragt:
- Hinterlassung von militärischem Gerät im Rahmen des ISAF-Abzugs
- Weiternutzung des Militärflughafen Termes in Usbekistan und mögliche Alternativen in Kirgistan
- Beteiligung der zentralasiatischen Staaten an der internationalen Kontaktgruppe zur Stabilisierung Afghanistans
- Transportrouten der Bundeswehr durch zentralasiatische Staaten und usbekische Logistikunternehmen im Dienste der Bundeswehr
Die unten dokumentierten Antworten machen deutlich, dass die Bundesregierung nicht gewillt ist, die menschenrechtlich höchst fragwürdige Nutzung des Militärflughafens Termes in Usbekistan zu überdenken. Die grüne Bundestagfraktion bringt am morgigen Freitag ihren Antrag "Für eine glaubwürdige Außenpolitik gegenüber Usbekistan" zur endgültigen Abstimmung in den Bundestag ein - die Linke hatte dem Antrag im Auswärtigen Ausschuss zugestimmt, die SPD hatte sich enthalten.
Die einäugige Politik der Bundesregierung gegenüber Usbekistan ignoriert die vielschichtigen regionalen Sicherheitsherausforderungen. Das könnte sich perspektivisch auch negativ auf die Stabilisierung Afghanistans auswirken - mehr dazu in diesem Vortrag von Viola von Cramon auf der internationalen Expertenkonferenz Security, Supply Lines and Sustainable Development: Afghanistan and Central Asia towards 2014 and beyond.
Antworten der Bundesregierung
auf Fragen von MdB Viola von Cramon im Dez. 2012 und Jan. 2013
Plenarprotokoll 17/218
Berlin, Mittwoch, den 30. Januar 2013
Auszug
Anlage 35
Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12162, Frage 53):
Welche Staaten haben der Bundesregierung Interesse an der Hinterlassung von militärischem Gerät im Rahmen des geplanten Rückzugs der Bundeswehr aus Afghanistan signalisiert, und mit welchen Staaten führt die Bundesregierung bereits entsprechende Gespräche bzw. strebt sie diese an?
Der Bundesregierung liegen offizielle Anfragen aus der Kirgisischen Republik und aus der Mongolei vor. Über die Hinterlassung von Material hat die Bundesregierung bisher noch keine Entscheidungen getroffen.
Anlage 52
Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12162, Frage 73):
Welchen Einfluss hat die in den jüngsten Direktflügen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Thomas de Maizière, und des Bundespräsidenten, Joachim Gauck, nach Masar-i-Scharif zum Ausdruck kommende geänderte Sicherheitslage in Afghanistan auf die Entscheidung der Bundesregierung, am Flughafen Termes als strategischem Lufttransportstützpunkt der Bundeswehr festzuhalten, und welche Argumente sprechen gegen eine mögliche Nutzung von Flughäfen in Kirgistan, auf die der kirgisische Präsident bei seinem jüngsten Berlin-Besuch hinwies?
Die Nutzung des strategischen Lufttransportstützpunktes in Termes ist für den Austausch von Personal des Deutschen Einsatzkontingentes ISAF weiterhin notwendig.
Für den Personentransport mit Luftfahrzeugen der Bundeswehr von und nach Afghanistan gilt weiterhin das Prinzip, deutsches Personal grundsätzlich in geschützten Luftfahrzeugen zu verlegen.
Abhängig von der jeweils aktuellen Sicherheitslage vor Ort sind Landungen und Starts in ungeschützten Luftfahrzeugen der Bundeswehr auf dem Flugplatz Masar-i-Scharif im Einzelfall möglich.
Der Direktflug des Bundesministers der Verteidigung nach Masar-i-Scharif erfolgte aufgrund einer Einzelfallentscheidung und ist damit Ausdruck einer positiven Entwicklung der Sicherheitslage in Nordafghanistan.
Seit Beginn der Nutzung von Termes als strategischer Lufttransportstützpunkt sind wiederholt alternative Standorte geprüft worden. In der Summe der angelegten Kriterien hat keiner der geprüften Standorte den Anforderungen vergleichbar zu Termes entsprochen. Daher wird an der Nutzung von Termes festgehalten.
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Plenarprotokoll 17/216
Berlin, Mittwoch, den 16. Januar 2013
Auszug
Anlage 24
Antwort der Staatsministerin Cornelia Pieper auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12041, Frage 32):
Welche Informationen liegen der Bundesregierung über Art und Ausmaß der Beteiligung der fünf zentralasiatischen Staaten – Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgistan – am Istanbul-Prozess und der internationalen Kontaktgruppe zur Stabilisierung Afghanistans vor (bitte pro Land einzeln ausführen), und welche Bedeutung misst die Bundesregierung speziell den einzelnen zentralasiatischen Staaten für eine erfolgreiche Stabilisierung Afghanistans in den folgenden Jahren bei (bitte pro Land einzeln ausführen)?
Eine verstärkte regionale Zusammenarbeit ist ein wesentliches Element für Stabilität und Wohlstand in der Region. Das Interesse hieran teilen nach Einschätzung der Bundesregierung alle zentralasiatischen Staaten. Der jüngste Fortschrittsbericht Afghanistan der Bundesregierung vom November 2012 geht auf den Istanbul- oder Heart-of-Asia-Prozess, dem alle zentralasiatischen Staaten angehören, ausführlich ein und listet die Wahrnehmung der Arbeitsgruppen zu den einzelnen vertrauensbildenden Maßnahmen, VBM, durch die Mitgliedstaaten als Teilnehmer oder Lead Nation detailliert auf. Die Republik Kasachstan und Turkmenistan sind jeweils Co-Lead-Nation einer VBM. Diese Staaten sowie die Republik Tadschikistan und die Kirgisische Republik nehmen darüber hinaus an weiteren Arbeitsgruppen teil. Kasachstan wird Gastgeber des nächsten Außenministertreffens am 25. April 2013 sein. Seit der Veröffentlichung des Fortschrittsberichts hat sich ergeben, dass sich Ende Januar 2013 auch die bisher inaktive von Turkmenistan geleitete Arbeitsgruppe zu regionaler Infrastruktur treffen wird. Es ist bedauerlich, dass die Republik Usbekistan in den Arbeitsgruppen bisher nicht mitarbeitet.
Die Bundesregierung unterstützt diesen Regionalprozess und begrüßt die Teilnahme aller Nachbarstaaten Afghanistans, darunter der zentralasiatischen Staaten.
Die fünf zentralasiatischen Staaten sind auch Mitglieder der Internationalen Kontaktgruppe zu Afghanistan, ICG, an deren Treffen sie regelmäßig teilnehmen. Im November 2011 war Kasachstan Gastgeber eines ICG-Treffens.
Anlage 51
Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/12041, Frage 69):
Über welche bestehenden Versorgungsrouten für das deutsche ISAF-Kontingent und über welche zusätzlichen Transportrouten durch die fünf zentralasiatischen Staaten plant die Bundesregierung im Rahmen des ISAF-Rückzugs bis 2014 den Rücktransport militärischen und nichtmilitärischen Geräts der Bundeswehr per Lkw, Bahn bzw. Flugzeug aus Afghanistan zu vollziehen?
Die Bundesregierung nutzt zur Versorgung des deutschen Einsatzkontingents ISAF in Afghanistan derzeit sowohl Luft-, Schienen- als auch Straßentransporte. Die Route der Luftfahrzeuge der Bundeswehr führt dabei über Kasachstan und Usbekistan.
Die Schienentransporte werden im Auftrag der Bundeswehr durch zivile Transportdienstleister durchgeführt. Sie nutzen eine Route, die von Russland über Kasachstan und Usbekistan nach Afghanistan führt.
Auch die Straßentransporte werden im Auftrag der Bundeswehr durch zivile Transportdienstleister erbracht. Sie nutzen bisher sowohl eine Route über Kasachstan und Usbekistan als auch aktuell eine Route über Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan.
Für den Rücktransport des Materials des deutschen Einsatzkontingents ISAF werden alle dargestellten Routen erwogen. Eine detaillierte Festlegung ist bisher nicht erfolgt.
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Plenarprotokoll 17/213
Berlin, Mittwoch, den 12. Dezember 2012
Auszug
Anlage 51
Antwort des Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf die Frage der Abgeordneten Viola von Cramon-Taubadel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 17/11786, Frage 76):
Mit welchen staatlichen bzw. privaten usbekischen bzw. nichtusbekischen Partnern im Logistikbereich (bitte gesondert namentlich auflisten) bestehen seitens der Bundesregierung Verträge im Zusammenhang mit dem Landtransport militärischer bzw. nichtmilitärischer Güter über usbekisches Hoheitsgebiet, und welche Beträge sind seit 2010 jährlich an diese Partner jeweils für die beiden Gütergruppen überwiesen worden (bitte einzeln auflisten)?
Die Bundesregierung unterhält selbst keine Verträge mit staatlichen bzw. privaten usbekischen Partnern im Logistikbereich im Zusammenhang mit dem Transport militärischer bzw. nicht militärischer Güter über usbekisches Hoheitsgebiet. Für Landtransporte von Deutschland nach Usbekistan, Termez, oder Afghanistan und zurück wird sowohl für den Straßen- als auch den Schienentransport auf mit EUansässigen Unternehmen abgeschlossene Rahmenverträge zurückgegriffen. Es handelt sich dabei aktuell um die Firmen IMEX Speditions- und Handelsgesellschaft mbH, Straßentransport, sowie DSV Air & Sea A/S, Schienentransport.
Bei den durch Deutschland beauftragten Landtransporten wird gegenüber den Rahmenvertragspartnern nicht zwischen militärischen bzw. nichtmilitärischen Gütern unterschieden. Durch die bestehenden Transitabkommen – insbesondere mit Usbekistan – ist der Transport bestimmter militärischer Güter, wie zum Beispiel geschützte Fahrzeuge, Waffen usw., eingeschränkt.
Die für die Landtransporte zu zahlenden Beträge umfassen grundsätzlich die Gesamtkosten für die logistische Dienstleistung auf der gesamten Wegstrecke, also von Deutschland nach Usbekistan, Termes, bzw. Afghanistan und zurück („door-to-door-Vertrag“).
Eine Rechnungslegung für Teilstrecken ist kein Bestandteil der Rahmenverträge und kann daher vom jeweiligen Rahmenvertragspartner nicht verlangt werden.